Augen auf beim Berliner Testament
In Deutschland werden durch Generationswechsel immer größere Vermögen vererbt. Schätzungen zufolge soll nur 1/3 der testierfähigen Bevölkerung ein Testament errichtet haben, die Hälfte davon ohne anwaltliche oder notarielle Hilfe. Wer aber sein Familienvermögen der jeweiligen Familiensituation angepasst weitergeben möchte, sollte gut vorbereitet sein.
In der Praxis ist unter Ehegatten das so genannte „Berliner Testament“ weit verbreitet.
Hierbei erbt zunächst der überlebende Ehegatte allein und erst nach dessen Tod kommen die Kinder zum Zuge. Dies hat oft Sinn, sollte aber immer wieder an die familiäre Situation angepasst werden. Es können sonst im Erbfall erhebliche Probleme entstehen.
Ein Problem liegt darin, dass durch das „Berliner Testament“ nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, dass die Kinder beim Tod des einen Ehegatten von dem Überlebenden ihren Pflichtteil verlangen. Dieses Problem kann zwar durch im Testament enthaltene sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln entschärft, aber nicht vollständig verhindert werden.
Ein weiteres Problem, gerade bei größeren Vermögen ist, dass es beim „Berliner Testament“ zu zwei Erbfällen kommt. Beim Übergang des Vermögens auf den überlebenden Ehegatten sowie nachfolgend beim Übergang auf die Kinder. Die Erbschaftssteuerfreibeträge der Kinder werden im ersten Erbfall sozusagen verschenkt, da diese laut „Berliner Testament“ erst einmal nichts erben.
Ferner bleibt zu bedenken, dass durch die vermutete Bindungswirkung des „Berliner Testaments“ in der Regel keine Möglichkeit mehr besteht, die einmal getroffene Einsetzung der Kinder als Schlusserben zu widerrufen, wenn nicht eine entsprechende Regelung im Testament mit aufgenommen wurde.
Auf unvorhergesehene familiäre Situationen, wie z.B. „undankbare Kinder“, die sich im Gegensatz zu ihren Geschwistern nicht um den pflegebedürftigen überlebenden Elternteil kümmern, oder eine Wiederheirat des überlebenden Ehegatten, kann oft nicht mehr reagiert werden.
Auch für Patchworkfamilien mit Kindern aus erster Ehe, bei vorhandenem Betriebsvermögen im Nachlass oder bei Auslandsbezug sollte das klassische Berliner Testament nicht unbedingt die erste Wahl sein.
So werden zum Beispiel im Ausland gemeinschaftliche Testamente oft nicht anerkannt. In Fällen mit Auslandsbezug, zum Beispiel wenn ein deutsches Ehepaar seinen Lebensabend vorwiegend in Italien verbringt, sollte daher über eine Rechtswahl nach dem deutschen Heimaterbrecht nachgedacht werden.
Durch geschickte Testamentsgestaltung können die aufgezeigten Risiken aber verringert und individuelle Lösungen gefunden werden.